Außenpolitische Chancen verspielt

In der Debatte um den Haushaltsplan des Bundesaußenministeriums kritisiert Frithjof Schmidt die ersten drei Monate schwarz-gelber Außenpolitik. Die Bundesregierung habe mit ihrer Diplomatie beim Klimagipfel Schiffbruch erlitten, sie sei bei der Bekämpfung von Armut und Hunger wortbrüchig geworden, und sie fände keine klare Antwort auf die Situation in Afghanistan, so das Fazit.

Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Außenminister, im November haben wir hier den Koalitionsvertrag diskutiert. Damals habe ich unserem Land gewünscht, dass das Handeln von Schwarz-Gelb besser wird, als das der Text des Vertrages befürchten lässt. Diese Hoffnung hat sich bislang nicht erfüllt.

In den letzten Wochen standen große Zukunftsfragen der Vereinten Nationen auf der Tagesordnung. Es ging und geht um einen Durchbruch beim Klimaschutz und um die Bekämpfung von Hunger und Armut trotz Wirtschaftskrise. Es ging um Deutschlands Rolle bei der Lösung der großen Menschheitsfragen. Es ging darum, voranzugehen. Aber diese Regierung hat durch den Mangel an politischen Initiativen viel Ansehen unseres Landes bereits verspielt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Konferenz von Kopenhagen ist ein Beispiel für das Scheitern Ihrer Diplomatie.

(Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Das kann doch nicht wahr sein!)

Nach dem Klimagipfel reicht es eben nicht, auf China und die USA zu zeigen. Sie tragen selbst Mitverantwortung für eine falsche Verhandlungsstrategie der Europäischen Union. Sie haben konkrete Finanzzusagen an die Entwicklungsländer im Vorfeld der Konferenz genauso mitverhindert wie eine Erhöhung der europäischen Minderungsziele auf 30 Prozent.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben an entscheidender Stelle vorher blockiert statt voranzugehen. Das ist ‑ auch wenn Sie das nicht gerne hören ‑ ein Versagen deutscher Außenpolitik, und dann helfen danach auch alle schönen Worte des Umweltministers nichts.

Auch bei der internationalen Bekämpfung von Hunger und Armut wird diese Regierung zur Bremserin, statt eine Vorreiterrolle einzunehmen. Ban Ki-moon hat gerade wieder verstärkte Anstrengungen zur Erreichung der Millenniumsziele eingefordert. Was ist die außenpolitische Antwort Deutschlands? Sie kündigen mit diesem Haushalt einseitig den Ausstieg Deutschlands aus dem europäischen Stufenplan zur Entwicklungsfinanzierung an. Das ist keine nachgeordnete Frage der Entwicklungspolitik; es ist ein Affront gegen zentrale Vereinbarungen der UNO und der Europäischen Union.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben sich mit diesem Haushalt von den bisherigen internationalen Zusagen Deutschlands verabschiedet, obwohl 2 Milliarden Menschen von weniger als 2 Dollar am Tag leben und über 1 Milliarde Menschen weltweit hungern. Diese Regierung hat zwar 1 Milliarde Euro jährlich für Hotelbesitzer, findet aber nur 44 Millionen Euro mehr, um die deutschen Versprechungen zur Bekämpfung von Hunger, Armut und Krankheit zu erfüllen. Das ist eine Schande für unser Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich fordere Sie auf: Halten Sie die deutschen Verpflichtungen international ein! Stehlen Sie sich nicht so schäbig davon!

Der Mangel an politischen Initiativen zeigt sich auch am Beispiel Afghanistan. Eine klare Strategie für Afghanistan haben Sie uns wenige Tage vor der Afghanistankonferenz immer noch nicht vorgelegt.

Wir fordern von Ihnen ein klares Konzept für einen massiven Polizeiaufbau mit mindestens 500 deutschen Polizisten, eine Aufbaustrategie, die endlich die wachsende Schere zwischen dem Hilfsbedarf einerseits und den Umsetzungs- und Abflussproblemen bei der Mittelverwendung andererseits schließt, und ein konkretes Konzept, um die Spirale der Gewalt im Norden Afghanistans zu durchbrechen. Außerdem fordere ich Sie auf, dem Bundestag einen verbindlichen Abzugsplan vorzulegen, der gemeinsam mit unseren Verbündeten abgestimmt und umgesetzt wird.

Bisher haben Sie auf diese zentralen Punkte keine klaren Antworten, weil Sie in der Koalition keine Einigkeit haben. Das ist der Grund, weshalb Sie uns heute wieder nichts dazu gesagt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Stattdessen versucht diese Regierung mit Haushaltstricks, der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen. Es wird angekündigt, die Zahl der deutschen Polizisten in Afghanistan solle verdoppelt werden. Die Wahrheit ist aber: Damit lösen Sie nur das alte Planziel der Großen Koalition ein. Das war schon viel zu wenig, und es ist auch heute noch viel zu wenig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Entwicklungsfinanzierung soll angeblich verdoppelt werden. Ein Blick auf die Fakten zeigt aber, dass Sie auch hier nur weitgehend die Versprechen von Schwarz-Rot erfüllen. Auch das ist keine neue Leistung Ihrer Regierung und Ihres Haushalts. Hören Sie auf zu tricksen! Hören Sie auf mit der Verneblungstaktik, und schaffen Sie Klarheit über den weiteren Kurs in Afghanistan!

Wirklich beunruhigt haben mich in diesem Zusammenhang die Äußerungen von Herrn Niebel, der eine engeKooperation mit der Bundeswehr zur Bedingung für die Mittelvergabe an Entwicklungsorganisationen machen will.

(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Totaler Hammer! – Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der hat halt keine Ahnung!)

Hier geht es um eine zentrale außenpolitische Frage der Gesamtstrategie in Afghanistan.

Alle Experten sagen uns, dass es von zentraler Bedeutung ist, eine komplementäre Wirkung von militärischem Stabilisierungseinsatz und Entwicklungshilfe nicht mit Vermischung zu verwechseln. Genau das macht Herr Niebel falsch. Sie, Herr Westerwelle, haben die Federführung und lassen ihn gewähren. Das bedeutet sehr konkret, die zivilen Helfer in der Wahrnehmung vor Ort zu militärischen Handlangern zu machen. Das würde die Entwicklungshelfer vor Ort noch größeren Gefahren aussetzen, als es ohnehin schon der Fall ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Diese Äußerungen aus dem Kabinett zeigen generell ein hochproblematisches Verständnis deutscher Außen- und Entwicklungspolitik. Wir brauchen keine einseitige Verengung auf das Militär. Auslandseinsätze dürfen eben auch nicht, wie das Herr zu Guttenberg Ende letzten Jahres gefordert hat, zur Selbstverständlichkeit werden, ganz im Gegenteil. Nach mehr als zehn Jahren Erfahrung mit Auslandseinsätzen brauchen wir eine öffentliche Debatte über deren Wirkungsmächtigkeit. Wir müssen Fehler ehrlich analysieren, politische und zivile Alternativen ins Zentrum stellen und militärische Gewalt als Ultima Ratio und nicht als Selbstverständlichkeit verstehen. Ich bin der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Frau Käßmann, sehr dankbar, dass sie diese Debatte mit einem Impuls deutlich in Gang gesetzt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren von der Koalition, Ihre Bundesregierung hat mit ihrer Diplomatie beim KlimagipfelSchiffbruch erlitten. Sie ist bei der Bekämpfung von Armut und Hunger wortbrüchig geworden, und sie findet keine klare Antwort auf die Situation in Afghanistan. Das ist die Bilanz von zwölf Wochen Schwarz-Gelb in der internationalen Politik. Bei einem solchen Start mag man sich die nächsten Monate gar nicht ausmalen.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Verwandte Artikel