Persönliche Erklärung von Frithjof Schmidt zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr

Am 15. Dezember stimmte der Bundestag über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan ab. Frithjof Schmidt stimmte gegen die Verlängerung des Mandates. In einer persönlichen Erklärung zur Abstimmung begründete er seine Ablehnung:

Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Katja Dörner, Katja Keul und Claudia Roth (Augsburg) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Tagesordnungspunkt 9)

Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr gehört zu den schwierigsten Entscheidungen, die Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu treffen haben. Der Einsatz von Militär kann immer nur äußerstes Mittel zur Gewalteindämmung und Friedenssicherung sein. Militär kann bestenfalls ein Zeitfenster für Krisenbewältigung schaffen, nicht aber den Frieden selbst.

In Afghanistan gab es jahrelang eine Dominanz militärischer Zielsetzungen gegenüber zivilen Lösungsansätzen und ein fehlendes entwicklungspolitisches Konzept. Schon seit langem war klar, dass die Strategie, vorrangig mit militärischen Mitteln eine Friedenslösung erzwingen zu wollen, gescheitert ist. Ein stabiler und dauerhafter Frieden kann nur über den Verhandlungsweg erreicht werden. Die Capture-or-Kill-Operationen und die gezielten Tötungen durch Drohnenangriffe der USA forderten immer wieder zivile Opfer und haben das Vertrauen der afghanischen Bevölkerung in die internationale Präsenz untergraben. Eine politische Lösung wurde dadurch in den letzten Jahren enorm erschwert.

Die Bundesregierung behauptet, dass es sich bei der seit 2015 eingesetzten NATO-Mission Resolute Support nicht um einen Kampfeinsatz handele, sondern um eine Ausbildungs- und Trainingsmission für die afghanischen Sicherheitskräfte. Tatsächlich ist jedoch das Verhältnis zwischen Ausbildung und Training sowie einer möglichen Beteiligung an der Aufstandsbekämpfung nicht eindeutig geklärt. Eine Begleitung von afghanischen Truppen in Kampfeinsätze wird im vorgelegten Mandat der Bundesregierung nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Darüber hinaus dürfen seit Juni 2016 US-Truppen wieder an Kampfeinsätzen zur offensiven Aufstandsbekämpfung teilnehmen. Dies hatte US-Präsident Obama erlaubt, nachdem er Ende 2014 zunächst alle offensiven US-Kampfeinsätze in Afghanistan für beendet erklärt hatte. Da US-Soldatinnen und -Soldaten nun zwischen Counter-Insurgency-Operationen und Ausbildung einfach hin- und herwechseln können, ist eine klare Abgrenzung zwischen Kampfeinsatz und Ausbildung in der Praxis nur noch schwer möglich. Eine Verstrickung deutscher Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten in Operationen offensiver Aufstandsbekämpfung, die wir grundsätzlich ablehnen, kann somit nicht mehr ausgeschlossen werden.

Nachdem die NATO zweimal die gesetzten Abzugstermine, mit denen auch für Akzeptanz in der Bevölkerung geworben wurde, nicht eingehalten hat, wurde auf dem NATO-Gipfel in Warschau im Juni 2016 vereinbart, den Afghanistan-Einsatz zeitlich nicht mehr zu befristen. Dadurch droht ein langjähriger, nicht absehbarer Einsatz in Afghanistan mit Verwicklung in Kämpfe und ohne eine Exit-Strategie. Ein solches zeitlich unbegrenztes NATO-Mandat halten wir für falsch.

Gleichzeitig müssen aber auch die positiven Entwicklungen in Afghanistan mit viel Geduld und ausreichend finanziellen Mitteln gesichert werden. Afghanistan wird auch noch in den nächsten Jahrzehnten auf internationale Unterstützung angewiesen sein. Deshalb dürfen wir nicht nachlassen, unsere humanitären und entwicklungspolitischen Verpflichtungen gegenüber Afghanistan weiter zu erfüllen. Darüber hinaus ist eine Fortführung der politischen Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban notwendig. Ein stabiler und dauerhafter Frieden in Afghanistan kann letztlich nur über den Verhandlungsweg erreicht werden. Die Strategie, Afghanistan militärisch zu befrieden, ist bisher gescheitert und auch für die Zukunft nicht sinnvoll, sondern falsch. Deshalb lehnen wir dieses Mandat ab.

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