Auslandseinsätze der Bundeswehr: Änderung des Parlamentsbeteiligungsgesetz

Die Große Koalition hat einen Entwurf für ein Parlamentsbeteiligungsgesetz in den Bundestag eingebracht. Frithjof Schmidt kritisierte in seiner Rede bei der ersten Lesung des Entwurfs, dass der Entwurf die Kontrollmöglichkeiten des Parlamentes bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr schwächen würde. So sollen bestimmte Typen von Auslandseinsätzen, wie zum Beispiel Ausbildungsmissionen, nur noch in atypischen Ausnahmefälle ein Mandat des Bundestages erfordern.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen! Bei der Bildung Ihrer – das sage ich ganz bewusst – Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr standen hochgesteckte Erwartungen im Raum, wie die von Ihnen so genannte „Abstufung der Intensität parlamentarischer Beteiligung“ aussehen sollte. Daran gemessen ist das Ergebnis recht überschaubar geworden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Hätten Sie mal mitgemacht!)

Ich finde es gut, dass Sie auf jeden konkreten Vorstoß zur Änderung der Verfassung verzichtet haben. Ich finde es gut, dass die unselige Debatte über Vorratsbeschlüsse oder die Delegation von Abgeordnetenrechten an spezielle Ausschüsse nicht mehr vorgesehen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das haben Sie nach Prüfung der Umstände sicher aus guter Einsicht ad acta gelegt. Aber ich bin mir auch sicher, dass Ihnen dabei die geschlossene und scharfe Kritik der gesamten Opposition in diesem Haus an solchen Vorhaben eine große Hilfe war.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wenn diese falschen politischen Ideen nun in Ihren Fraktionen nicht mehr herumspuken und dauerhaft politisch entsorgt sind, dann hatte dieser politische Prozess auf jeden Fall etwas Gutes.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt in Ihrem Gesetzentwurf drei politische Punkte, bei denen wir Ihrer Meinung sind. Wir begrüßen ausdrücklich, dass Sie für Bundeswehreinsätze nun einen Evaluierungsbericht vorsehen, der die Wirksamkeit der militärischen und zivilen Komponenten der Mission bewertet. Das haben wir seit vielen Jahren immer wieder gefordert. Es ist gut, dass Sie diese Position jetzt aufnehmen.

(Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Überfällig!)

Wir begrüßen auch, dass dem Bundestag jährlich ein Bericht über bestehende multilaterale militärische Verbundfähigkeiten vorgelegt werden soll. Das trägt zur Transparenz darüber bei, was alles arbeitsteilig mit anderen Ländern militärisch geplant und getan wird. Solche Transparenz ist immer auch die Voraussetzung für politische Kontrolle.
Wir finden auch richtig, dass Sie die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, die es im Urteil zu unserer Klage zum sogenannten Pegasus-Einsatz in Libyen gemacht hat, wie denn bei Gefahr im Verzug mit Eilfällen umzugehen ist, sofort übernommen haben. Das schafft die notwendige Klarheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): So wie das bisher klingt, können Sie zustimmen!)

Aber das sind natürlich nicht die zentralen politischen Punkte Ihres Gesetzentwurfes. Politisch im Zentrum steht Ihr Versuch, Einsatztypen zu definieren, die in der Regel nicht mandatspflichtig sein sollen, bei denen also die Möglichkeit einer Einbeziehung in bewaffnete Kampfhandlungen auszuschließen ist.

(Henning Otte (CDU/CSU): Das haben Sie falsch verstanden!)

Sie nennen zum Beispiel Ausbildungsmissionen in sicherem Umfeld, UN-Beobachtermissionen, logistische Unterstützung ohne Bezug zu Kampfhandlungen.

(Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU): Ja!)

Sie wecken damit die Illusion, man könne mit einem solchen Gesetzestext die notwendige Einzelfallprüfung eines jeden Einsatzes umgehen oder wenigstens minimieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ihre These in diesem Gesetzentwurf ist: Der mandatspflichtige Ausbildungseinsatz ist atypisch, ist die Ausnahme von der Regel.
Schauen wir uns die Praxis an. Die Bundeswehr führt zurzeit vier Ausbildungseinsätze durch: in Afghanistan, Irak, Somalia und Mali. Welchen dieser Einsätze wollen Sie denn ohne Mandat durchführen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der SPD: Keinen!)

Das wäre dann offenkundig die Ausnahme von der Regel und atypisch, also genau andersherum, als Sie es im Gesetzentwurf formuliert haben. Das ist der Fehler.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Sonja Steffen (SPD): Das stimmt ja so nicht!)

Die Wahrheit ist: Sie sind mit dem Versuch gescheitert, eine praxistaugliche Typologie zu finden. Ihre Konstruktion ist auch rechtlich fragwürdig. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes verpflichtet uns zu einer Einzelfallprüfung, und der Versuch, dies mit irgendwelchen Regelfällen zu unterlaufen, muss scheitern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Politisch bedeutet Ihr Gesetzentwurf den Versuch einer Stärkung der Interpretationsmöglichkeiten der Exekutive und einer Schwächung der Kontrollmöglichkeiten und der Kontrollfähigkeit der Legislative, das heißt in diesem Fall insbesondere der Opposition.

(Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Das sehen wir auch so!)

Das ist politisch falsch, und das lehnen wir ab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Wir auch!)

Auch die Mitwirkung der Bundeswehr in multinationalen Stäben oder Hauptquartieren wollen Sie durch diesen Gesetzentwurf von der Zustimmungspflicht des Bundestages bei Kampfeinsätzen ausnehmen.

(Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU): Wer sagt denn das? Völlig falsch verstanden! Da liegen Sie völlig daneben! – Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Das ist schon so falsch, dass es böswillig ist!)

Nur dann soll die Ausnahme nicht gelten, wenn die Soldaten sich direkt im Kampfgebiet befinden oder dort eingesetzte Waffen direkt bedienen, also zum Beispiel Kampfdrohnen steuern.
Das heißt, stabsleitende Funktionen von Waffeneinsätzen sollen ausdrücklich keine Einbeziehung in die bewaffnete Auseinandersetzung mehr bedeuten. Das ist politischer Unsinn: Planung und Befehle sollen per Gesetz nichts mehr mit dem Einsatz vor Ort zu tun haben? Wem wollen Sie das weismachen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Das ist lächerlich!)

Das widerspricht auch den einschlägigen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes. Deswegen sagen wir Ihnen: Sie befinden sich damit auf ganz dünnem Eis. Auch diese Gesetzesänderung lehnen wir ab.
Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

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