Laudatio für Claudia Roth gehalten von Frithjof Schmidt

 

Liebe Claudia,

ein toller Film, der Schlaglichter auf Deinen bisherigen langen Weg mit dieser Partei und in dieser Partei und auf Deine großen Leistungen für unsere Sache wirft. Das sagt mehr als viele Worte. Was soll man danach noch sagen?

Ich will mal mit etwas Ernstem anfangen. Richtig kennengelernt haben wir beide uns Anfang der neunziger Jahre. Du warst Europaabgeordnete und hast einen Beschluss des Europäischen Parlamentes zur Gleichstellung von Schwulen und Lesben in Europa durchgesetzt

– gegen den heftigen Widerstand der Konservativen und der katholischen Kirche.

Die Kirche hat daraufhin wegen dieses Beschlusses einen Bann gegen dich ausgesprochen. Das sogenannte Anathema, das war der Fluch, mit dem im Mittelalter die Kirche auch Frauen belegt hat, bevor sie als Hexe verbrannt wurden. Man kann sich das inzwischen kaum noch vorstellen. Das war nicht nur im Mittelalter sondern auch noch in den neunziger Jahren eine schreckliche Sache. Ich war damals Geschäftsführer der Gruppe der deutschen Europaabgeordneten und musste in Deiner Nähe erleben, was ein Shitstorm von Rechts bedeutet – und zwar lange bevor an Twitter auch nur gedacht werden konnte.

Ich konnte erleben, wie überzeugt Du in der Sache warst, wie sehr Dir trotzdem die Kritik und die Diffamierungen emotional nahe gegangen sind, und wie ruhig und klar Du nach außen gestanden und gehandelt hast. Und ich konnte auch erleben, wie tief Dein Einsatz gegen Diskriminierung so viele Menschen in ganz Europa und in der Welt bewegt hat und wie diese Menschen darüber begonnen haben, die Grünen und den Kampf für Bürgerrechte zusammen zu denken. Und 1994 hast Du dann als erste Europaabgeordnete auf einem CSD sprechen können – in New York City vor einer Million Menschen. Du hast Deine Wurzeln als Künstlerin beim Theater und in der Musik. Und dort sagt man ja über Kunstwerke (- in den Worten des Philosophen Isaiah Berlin)-, dass sie eine „emotionale Wahrheit“ verkörpern müssen, wenn sie die Menschen wirklich erreichen sollen. Eine Wahrheit, die sich über Gefühl und Verstand vermittelt. Und das ist es, was Dich als Politikerin und Mensch so auszeichnet: Du verkörperst die „emotionale Wahrheit“ unserer grünen Politik. Du erreichst die Menschen damit ganz direkt, Du lässt niemanden gleichgültig. „Emotionale Wahrheit“ – das heißt, dass auch Menschen, die Deine Argumente in einer konkreten Frage vielleicht nicht teilen, von der Wahrhaftigkeit Deines Engagements beeindruckt sind.

Das hat Dich auch immer wieder zur Zielscheibe von Angriffen gemacht, aber es hat Dir vor allem – über alle Parteigrenzen hinweg – bei den Demokratinnen und Demokraten in diesem Land großes Ansehen verschafft und darauf sind wir alle stolz. Du erreichst die unterschiedlichsten Menschen ganz direkt.

Ich nehme mal die Düsseldorfer Altstadt als Beispiel.

Da hast Du im Wahlkampf 2005 den Eurovision Song Contest mit einer Veranstaltung in einer Kneipe begleitet, einschließlich der Durchführung eines Frauenvotums über die besten Sänger. Im Anschluss wollten wir etwas essen gehen, in einem Laden rund 200 Meter entfernt. Für die 200 Meter haben wir fast eine dreiviertel Stunde gebraucht. Immer wieder wollten sich nämlich Gruppen von jungen Frauen, die in der Altstadt unterwegs waren um einen Jungesellinnen-Abschied zu feiern, mit Dir fotografieren lassen und Autogramme haben und einen „kleinen Feigling“ trinken. Du bist zu großer Form aufgelaufen und hast im Grunde den Weg zu einer einzigen Kundgebung umfunktioniert. Da habe ich endlich verstanden, was Massenkommunikation wirklich bedeutet. Diese Menschen hat alle hat die „emotionale Wahrheit“ grüner Politik durch Dich erreicht.

Ich will aber auch etwas ansprechen, was nicht gleich für alle so sichtbar ist. Das sind der enorme Fleiß und die enorme Disziplin mit denen Du Politik betreibst. Du bist für mich die peußischste von allen Bayern, die ich kennengelernt habe. Deine Reden sind viel bewundert, weil Du die Dinge mit Leidenschaft treffend auf den Punkt bringen kannst. Ich will mal ausplaudern, was da für Arbeit hinter steckt.

Du bist 2001 zur Bundesvorsitzenden gewählt worden – nach einer großen Rede, die alle begeistert hat. Ich war Landesvorsitzender in NRW und hatte versprochen die Rede vorher mal zu lesen. Bis spät in die Nacht ratterte mein FAX – damals hattest Du es noch nicht so mit e-mail -mit immer neuen Entwürfen von immer neuen Passagen. Weit über hundert Seiten, das Papier wurde knapp. Mein Hinweis, das selbst Dir die BDK eine mehrstündige Bewerbungsrede nicht gestatten würde, wurde vom Tisch gewischt mit dem Hinweis, dass für die Behandlung wichtiger politischer Fragen angemessen Zeit auf einem Grünen Parteitag sein müsse. Weit nach Mitternacht war Deine Energie ungebrochen. Ich müder Kleingeist habe zwischenzeitig am Erfolg gezweifelt, aber am Ende stand eine großartige Rede, die mit einer Leichtigkeit vorgetragen wurde, als sei Dir alles gerade eben zugeflogen.

Das war der Auftakt zu über einem Jahrzehnt Arbeit als Bundesvorsitzende, in dem Du unsere Partei durch Höhen und Tiefen geführt hast. Mit großen Auftritten vor den Kulissen und viel harter Kleinarbeit hinter den Kulissen. Du bist in dieser Zeit wohl bei fast jedem Kreisverband der Grünen gewesen. Du hast die unterschiedlichen Teile der Partei immer wieder zusammengeführt und zusammengehalten. Mit Deiner großen Herzlichkeit hast Du Eis gebrochen und die politische Kultur in dieser Partei auf eine neue Stufe gehoben. Dafür danken wir Dir alle.

Und Du hast parallel die internationalen Krisenherde auf allen Kontinenten bereist, und hast Deine Stimme für Menschenrechte, Demokratie und Umweltschutz erhoben und gegen Diktatur, Faschismus und Rassismus. Dein besonderer Einsatz gilt immer auch den Menschen auf der Flucht. Du hast in vielen Teilen der Welt die Menschen, die in Lagern überleben müssen, getroffen, mit ihnen gesprochen und Ihnen zugehört. Ob im Irak, der Türkei, an der syrischen Grenze oder in Afghanistan, im Kosovo oder Bulgarien, oder in Lybien oder eben auch hier, in Deutschland. Nur wenige können wirklich ermessen, wieviel Kraft und Energie dieser Einsatz erfordert hat. Aber so ist es Dir gelungen, die „emotionale Wahrheit“ grüner Politik wirklich zu verkörpern. Ich bin sicher, das wirst Du auch in Deinen neuen Aufgaben weiterhin tun – und doch wirst Du uns sehr fehlen.

Danke Claudia.

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