Rede: Generaldebatte zur deutschen Außenpolitik

Traditionell stehen die außenpolitischen Grundlinien der Bundesregierung im Fokus der Haushaltsdebatte über den Etat des Auswärtigen Amtes. Frithjof Schmidt betont, dass das transatlantische Freihandelsabkommen nicht zum Gau für europäische Sozial- und Umweltstandards werden darf und forderte einen Neustart der Verhandlungen. Die Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den afrikanischen Ländern müssen auf Augenhöhe geschehen und dürfen entwicklungspolitische Anstrengungen nicht konterkarieren.

Die Rede wurde auf der 29. Sitzung am 09.04.2014 gehalten.

Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Außenminister, durch die dramatischen Entwicklungen in der Ukraine und das völkerrechtswidrige Vorgehen Russlands sind Sie ins Zentrum des europäischen Krisenmanagements gerückt. Ich will ganz klar sagen: Wir Grüne finden, dass Sie das gut gemacht haben. Mein Respekt für Ihren persönlichen Einsatz!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)

Es war gut, das Weimarer Dreieck aus Frankreich, Polen und Deutschland als Handlungsebene zu nehmen. Es gibt einen Punkt, an dem wir uns ein entschlosseneres europäisches Vorgehen wünschen. Das ist der Stopp aller Waffenexporte nach Russland. Das darf nicht weitergehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ansonsten begrüßen wir, dass der Dreistufenplan der Europäischen Union bisher mit dem nötigen Augenmaß umgesetzt wurde. Wir unterstützen Sie insbesondere dann, wenn Sie sich in der NATO für die dringend nötige Zurückhaltung in dieser Situation einsetzen. Das kann man leider nicht von allen Mitgliedern der Bundesregierung behaupten. Die Ansagen der Europäischen Union sind klar und notwendig. Aber Säbelrasseln durch Spekulationen über Truppenverlegungen und maßlose historische Vergleiche ‑ ich denke dabei an Frau von der Leyen und an Herrn Schäuble ‑ sind in dieser gefährlichen Lage völlig verfehlt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Jetzt ist wohl allen klar, dass wir eine Grundsatzdebatte über die Beziehung zu Russland brauchen. Die bisherige Strategie einer strategischen Modernisierungspartnerschaft ist gänzlich gescheitert. Putin betreibt schon lange eine repressive und modernisierungsfeindliche Innenpolitik. Nun kommt noch die hegemoniale Aggression gegen die Ukraine hinzu. Europa braucht friedliche Partnerschaften mit Russland; das ist keine Frage. Daran müssen wir arbeiten. Es braucht aber keine Kumpanei mit einem autoritären Regime; das muss auch klar sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich möchte ein Wort an die Linken richten. Gregor Gysi hat uns wegen unserer Kritik an Putin vorgeworfen, wir seien russenfeindlich.

(Michael Brand (CDU/CSU): Unfassbar!)

Ich sage Ihnen dazu: Wir unterstützen und bewundern das demokratische Russland von Pussy Riot. Sie dagegen beschönigen die nationalistische, autoritäre Herrschaft von Putin. Das ist der Unterschied zwischen uns.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir sorgen uns um die Bürgerrechtler von MEMORIAL und nicht um die Staatskapitalisten von Gazprom.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist die Aufgabe einer demokratischen Linken in Europa. Aber das verstehen Sie einfach nicht. Zurück zur Regierung. Herr Außenminister, in anderen wichtigen Bereichen der Außenpolitik haben wir deutlich Kritik zu üben. Ich beginne mit dem EU-Afrika-Gipfel der letzten Woche. Hier haben Sie leider eine falsche Politik fortgeführt. Seit 2007 belastet der Konflikt um die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen die Beziehungen zu den afrikanischen Staaten sehr. Es ist völlig unverständlich, dass von den afrikanischen Ländern weiterhin eine Marktöffnung von 75 oder 80 Prozent gefordert wird, die dort ganze Wirtschaftszeige gefährden würde. Das schadet den Zielen unserer eigenen Entwicklungspolitik und unserer eigenen Außenpolitik. Das darf die Bundesregierung nicht weiter mitmachen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Drohung von Anfang Oktober, den europäischen Markt für die Produkte aller afrikanischen Länder, die solche Abkommen bis dahin nicht unterzeichnen, dichtzumachen, ist eine unwürdige Erpressung. Das muss vom Tisch. Das ist doch keine partnerschaftliche Außenpolitik auf Augenhöhe mit Afrika. Das ist auch eine Angelegenheit des Außenministers.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir beraten heute den Haushalt. Deutschland hat Finanzierungszusagen für das Erreichen der Millenniumsziele und der internationalen Klimaschutzziele gegeben. Das ist eine zentrale außenpolitische Frage in Bezug auf Deutschlands Rolle in den Vereinten Nationen. Halten wir diese Zusagen ein oder nicht? Haben wir wenigstens einen Plan zum Erreichen des 0,7-Prozent-Ziels bei den Mitteln für Entwicklungshilfe? Die Kanzlerin hat das immer wieder versprochen. In den Haushaltsplänen ist davon nichts, aber auch gar nichts zu erkennen. Das ist außenpolitisches Versagen, weil es hier um unsere globale Verantwortung geht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der Koalition, auch in Bezug auf das transatlantische Verhältnis kritisieren wir Ihre Politik. Bei den Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen eiern Sie, was die zentralen Konflikte angeht, immer noch herum. Im Abkommen sollen sogenannte außergerichtliche Schiedsgerichtsverfahren zwischen Investoren und Staaten verankert werden. Amerikanische Unternehmen könnten dann die Europäische Union oder ihre Mitgliedstaaten in Milliardenhöhe verklagen, wenn sie ihre Gewinnchancen durch neue ordnungspolitische Vorschriften gefährdet sehen. Das wäre der GAU für unsere europäischen Umwelt- und Sozialstandards. SPD-Minister äußern sich kritisch. In der Union ist man dafür und in Bayern dagegen. Was will die Bundesregierung denn nun? Es muss doch eine klare Ansage geben. Hier müssen Sie handeln.

Das ist nur die Spitze des handelspolitischen Eisbergs. Unter der Überschrift der regulatorischen Kooperation wird offensichtlich über eine Art Handelsverträglichkeitsprüfung für alle europäischen Gesetzgebungsprozesse verhandelt. Höhere, neue Standards wären dann in Europa automatisch nur noch im Einvernehmen mit den USA erreichbar. Das wäre die Unterordnung unserer Demokratie unter Wirtschaftsinteressen. So dürfen die transatlantischen Beziehungen nicht gestaltet werden. Das ist eine Schlüsselfrage unserer Außenpolitik. Das kann man nicht ans Wirtschaftsministerium delegieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich (DIE LINKE))

Setzen Sie sich für einen Stopp der TTIP-Verhandlungen ein und für einen Neustart mit einer reduzierten Agenda nach der Wahl der neuen EU-Kommission! Das wäre eine wichtige europapolitische Initiative, die Sie ergreifen sollten. Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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