Rede zum Antrag Einsetzung einer „Parlamentarischen Kommission zur Überprüfung, Sicherung und Stärkung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr“

Die Rede wurde auf der 21. Sitzung am 14.03.2014 gehalten.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält jetzt der Kollege Frithjof Schmidt das Wort.

Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Koalitionsfraktionen wollen eine Kommission einsetzen, die sich mit den Parlamentsrechten bei Auslandseinsät­zen der Bundeswehr beschäftigt, vor dem Hintergrund der europäischen Integration und der Bündnisintegration der NATO. Da gibt es Fragen – kein Zweifel! Deswegen waren und sind wir auch bereit, über eine ergebnisoffene Enquete-Kommission zu reden,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ergebnisoffen!)
die prüft, ob es überhaupt Handlungsbedarf gibt, und, wenn ja, welchen. Vielleicht ist ja auch eine Stärkung der Parlamentsrechte notwendig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das Problem ist hier, dass Sie dazu nicht bereit sind. Sie legen uns hier einen Text vor, der vorab eine klare politische Zielrichtung hat: Sie wollen für eine soge­nannte „Abstufung der Intensität parlamentarischer Be­teiligung“ – was ist das wohl? –

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS­SES 90/DIE GRÜNEN)

bei der Mandatserteilung für Auslandseinsätze der Bun­deswehr „konkrete Handlungsoptionen“, also Gesetzes­vorschläge, formulieren. Ihre politische Absicht ist es, den Parlamentsvorbehalt zu relativieren; das ist in Ihrem Antrag deutlich erkennbar, und das ist politisch falsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir reden hier über eine wichtige Errungenschaft un­serer Demokratie: Der Parlamentsbeschluss gibt den Auslandseinsätzen der Bundeswehr die nötige demokra­tische Legitimation und sorgt davor für öffentliche De­batten. Eine solche öffentliche Debatte ist nötig; denn nur sie schafft es, in der Gesellschaft breit abzuwägen, ob und warum wir Soldatinnen und Soldaten in schwie­rige und gefährliche Einsätze schicken sollten, und nur sie schafft es, dafür dann auch eine gesellschaftliche Un­terstützung zu erzeugen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Schwächung dieses Vorgehens ist eine Schwächung der Demokratie.

Sie erklären, Sie würden gerne einen Konsens mit der Opposition darüber finden, wie wir mit dem Problem der internationalen Vernetzung umgehen sollten. Was haben Sie getan, um einen Konsens zu finden?

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!

Die Opposition hat aus den Medien erfahren,

(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Sie haben doch den Koalitionsvertrag zu lesen be­kommen!)

dass es eine Hybridkommission zu den Parlamentsrech­ten geben wird, die in erster Linie nicht aus Abgeordne­ten, sondern vor allem aus anderen Akteuren bestehen soll. Die Namen der ausgeguckten Vorsitzenden, Herr Rühe und Herr Kolbow, wurden gleich mitgeliefert, und das Ziel einer Flexibilisierung des Parlamentsvorbehalts wurde ventiliert. Spiegel Online grüßt das ahnungslose Parlament. Das ist doch nicht in Ordnung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das alles passiert im Kontext der Äußerungen von Frau von der Leyen, dass eine Kultur der militärischen Zu­rückhaltung in Deutschland wohl überholt sei.

Nach dieser Überraschung hat man uns dann gesagt, dass man eigentlich auch gerne mal mit uns darüber re­den möchte. Kurz danach stand dann schon der Termin für die Debatte und die Abstimmung über Ihren Antrag in der Plenumsvorschau. Das ist doch nicht das übliche Verfahren, wenn man gemeinsam mit allen Fraktionen die Schaffung einer Kommission sondiert.

(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Sie sind doch im Ältestenrat vertreten!)

Da redet man erst einmal miteinander und klärt Vor­schläge ab. Das alles haben Sie nicht getan.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich sage Ihnen: Es ist Ihr gutes Recht, der Opposition mit Ihrer Mehrheit eine Entscheidung zu diktieren; aber dann heucheln Sie uns bitte nicht gleichzeitig den Wunsch nach Konsens vor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danach haben wir informell einen Text bekommen – übrigens nicht von der Union, sondern von den Sozial­demokraten – und haben Ihnen daraufhin andere Vor­schläge für eine Kommission genannt, die politisch Sinn machen würde. Fünf zentrale Punkte:

Wir wollen die klare Festlegung, dass die Kommis­sion ergebnisoffen arbeitet. Wir wollen, dass die Mög­lichkeit der Stärkung der Parlamentsrechte genauso wichtig wird wie ihre Überprüfung. Wir wollen die Vor­festlegung auf eine „Abstufung der Intensität“ der Parla­mentsbeteiligung streichen. Wir wollen die Möglichkeit integrierter Mandate prüfen, die es ermöglichen, Maß­nahmen auf unterschiedlichen politischen Feldern im Zusammenhang zu thematisieren und so transparent zu machen. Wir wollen, dass eine Kommission, die über die Parlamentsrechte berät, aus Abgeordneten besteht, weil das die ureigenste Sache der Abgeordneten und des Par­lamentes ist, und dass jede Fraktion außerdem zwei Sachverständige berufen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die politische Antwort war klar: Nichts davon kommt für die Koalition infrage. Was Sie uns hier als Arbeits­auftrag für die Kommission vorlegen, das ist die gezielte Vorbereitung, die Rechte des Parlamentes in diesen Fra­gen zu schwächen. Eine solche Kommission ist politisch falsch. Die wollen wir nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir sind auch nicht bereit, nach Ihrem politischen Diktat dann in der Kommission das Feigenblatt für Ihr Manöver zu geben.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Darum geht es nämlich!)

Deshalb wird sich meine Fraktion an einer solchen Kom­mission nicht beteiligen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Aus den Reihen der Union wird angedeutet, dass Sie sogar überlegen, das Grundgesetz zu ändern.

(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Wer sagt denn das? – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Wo haben Sie das her?)

Das wäre dann ein Bruch mit einer unserer wichtigsten Verfassungstraditionen. Da müssen Sie mit unserem ent­schiedenen Widerstand rechnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Kön­nen Sie sagen, wer das gesagt hat? Kennen Sie jemanden, der das gesagt hat? Sie sind doch für Transparenz!)

– In Ihren Vorschlägen haben Sie die verfassungsrechtli­che Prüfung ausdrücklich aufgenommen. Daran sieht man doch deutlich, wo Sie hinwollen.

(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Wir wollten prüfen, ob es verfassungsgemäß ist, und nicht die Verfassung ändern!)
Tun Sie doch nicht so, als sei das kein Thema für Sie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun rudern Sie zurück und tun so, als könnten Sie kein Wässerchen trüben. In der Realität sieht es anders aus.

Gut, dass Sie auf die heutige Abstimmung verzichten – ursprünglich war das anders geplant – und jetzt we­nigstens eine Diskussion in den Ausschüssen zulassen. Sie sollten das als Chance begreifen, die Wende zu ei­nem ergebnisoffenen Auftrag, verbunden mit einer ande­ren Zusammensetzung der Kommission, zu schaffen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

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